Tortour 1000
Nach dem letztjährigen Erfolg über den 500er, stellte ich mich dieses Jahr der vollen Distanz an der Tortour: die 1‘000km.
Der Schritt von 500km auf 1‘000km ist gross und mehr als „einfach das Doppelte“. Das war mir bewusst. Es bedeutet nämlich u. A. auch
die Crew von drei auf sechs Personen aufstocken
mehr logistischen Aufwand (z. B. Management von Kleidung und Verpflegung)
mehr mentale Resilienz
mit Schlafmangel umgehen zu können, besonders in der zweiten Nacht
Die volle Distanz ist mit noch mehr Herausforderungen verbunden. Ich stand aber zuversichtlich am Start, nicht zuletzt auch, weil mich mein Coach auch hinsichtlich Logistik sowi Renneinteilung und -strategie beraten hatte.
Da war er also, der Donnerstagabend auf den ich und meine Crew lange gewartet haben. Die Abläufe der Crew waren schon deutlich eingespielter als noch vor einem Jahr. Eine Ruhe und Routine die auch mir Sicherheit gab, dass wir die Sachen im Griff haben. Und eins vorweg: alle Crewmitglieder/innen haben einen super Job während dem gesamten Rennen geleistet!
Ich rollte mit 10 anderen also los. 1‘000km standen bevor mir. So viele Stunden, so viele Aufstiege und Abfahrten, so viele Kurven, so viel Essen und Trinken…ja, ein richtiges Abenteuer kommt auf mich zu. Auch mit dem Wetter. Nach der Hitzewelle vom Vorjahr zeigten die Wetter-Apps dieses Jahr ein ziemlich anderes Bild: regnerisch und kalt. Nach rund 2 Stunden nachdem ich den Wettkampf in Angriff nahm begann es auch schon zum ersten Mal an zu regnen. Kurz vor der ersten Timestation, bei welcher ich auf meine Crew traf, hörte es wieder auf. Komplett nass war ich aber. Es ging weiter in Richtung Rorschach. Die erste Nacht hatte begonnen und von Rorschach machte ich mich auf den Weg in Richtung Chur. Im Rheintal erwartete mich zwar kein Regen, aber richtig starker Wind. Nach Chur in Richtung Disentis kam dann aber auch wieder der Regen dazu. In dieser ersten Nacht machte ich einen Fehler. Die Quittung kam am Oberalppass. Mein Knie begann nach rund 300km zu streiken. Ein Schmerz, den ich so im Training nie hatte und ich deshalb auch nicht wusste, woher er kommt und wie ich den wieder wegbekomme. Der Oberalp war dann eine ziemliche Herausforderung, doch ich meisterte sie dann der Hilfe meiner Crew. In Andermatt folgte ein vollständiger Kleiderwechsel und ein 30-minütiger Nap.
Mit frischen Kräften und grosser Unterstützung meiner Crew und Fans machte ich mich in Richtung Klausen. Das Wetter war an diesem Freitagvormittag dann plötzlich sehr schön. Den Klausenpass konnte ich richtig gut hochfahren und geniessen. Ich war wieder voll in meinem Element, die Pace stimmte und das Knie bekamen wir mit wärmender Creme in den Griff. Nach der Abfahrt fuhr ich auch stark in der Linthebene und absolvierte die ersten 500km mit noch relativ frischen Beinen. Was vor allem besonders erfreulich war - vor allem in Anbetracht der Erfahrung aus dem Vorjahr -, dass die neue Verpflegungsstrategie voll und ganz aufging. Ich hatte nie zu viel aber auch nie zu wenig im Magen. Ein energetisch Loch gab es nicht.
Nach den 500km wechselte die Crew und ich wurde von frischen Kollegen im Begleitfahrzeug unterstützt. Was aber beim Start der zweiten Hälfte passierte war heftig: es zog ein Gewitter durch, welches heftiger nicht sein konnte. Schnell setzte ich mich ins Auto um nicht komplett nass zu werden. Nachdem das gröbste durch war, fuhr ich weiter. Doch wenige Kilometer später regnete es wieder so fest, dass ich in der Abfahrt die Strasse nicht mehr sah. Was ich hier noch nicht wusste: der Regen würde ich ab jetzt die ganze Zeit begleiten. Ich machte mich zum zweiten Mal auf den Weg nach Hemberg. Im Verlauf des Abends ging die Temperatur auf fast 10 Grad runter, mit Regen und Nebel. Es sah aus wie im November. Was gar nicht toll war, dass auf der Abfahrt nach Wattwil an zwei Stellen Steine auf der Strasse lagen - kleine Erdrutsche. In Hemberg angekommen wusste ich erst nicht, ob ich weiterfahren wollte, zu gefährlich erschien mir die ganze Situation.
Ich zog mich an der Timestation um und entschied weiterzufahren. Der Regen soll dann noch aufhören…hiess es gemäss Wetter-Apps. So machte ich mich auf den Weg nach Rorschach. Das Wetter wurde nicht besser, im Gegenteil, es fühlte sich immer schlimmer an. Von Kopf bis Fuss komplett durchnässt, bei rund 10 Grad, fuhr ich durch die zweite Nacht. Kurz vor der Timestation in Rorschach erwischte ich mit dem Vorderrad noch einen Stein. Direkt ein Platten. Nach erneutem Kleiderwechsel fuhr ich nochmals weiter, doch dieses Mal würde ich nicht mehr weit kommen. Zu kalt war mir, trotz neuen trockenen Kleider. Zu müde war ich, um mich den Steinen und Ästen auf dem Boden zu widmen. Mir war nicht mehr wohl auf dem Fahrrad.
Schweren Herzens entschied ich mich nach rund 33h im Sattel und 630km mit knapp 10‘000 Höhenmeter vom Rennen auszusteigen. Von den insgesamt 11 Startenden schafften es lediglich vier ins Ziel. Die Mehrheit stieg in dieser zweiten Nacht aus. Dass wir ausgerechnet an der Tortour der wohl miesesten Wetterlage des Jahres ausgesetzt waren, ist sehr bitter. Ich darf über das Erreichte stolz sein. Distanzmässig eine neue persönliche Bestleistung und einiges, was letztes Jahr schief ging, lief dieses Jahr super. Mit den Knieproblemen und dem Umgang mit Kälte und Nässe durfte ich zudem neue Erfahrungen sammeln, die mir in Zukunft sicherlich helfen werden.